Anora

US 2024, OV/df, 139', Regie: Sean Baker, mit Mikey Madison, Yura Borisov, Mark Eidelshtein

Anora

Festival de Cannes 2024: Goldene Palme

Filmkritik von Walter Gasperi

Eine New Yorker Stripperin steigt durch die Heirat mit dem Sohn eines russischen Oligarchen ins Luxus-Milieu auf, doch dessen Eltern sind über diese Heirat nicht erfreut: Sean Baker lässt in seiner mitreißend inszenierten und herausragend gespielten Tragikomödie, die in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, lustvoll gesellschaftliche Gegensätze aufeinanderprallen.

Immer wieder fokussiert der 1971 geborene Sean Baker auf die Ränder der US-Gesellschaft. Eine Pornodarstellerin steht im Zentrum von "Starlet" (2012), eine Transgender-Prostituierte spielt bei "Tangerine L.A." (2015) die Hauptrolle, in "The Florida Project" (2017), seinem wohl bislang besten Film, erzählt er von einer in prekären Verhältnissen lebenden alleinerziehenden Mutter und ihrer weitgehend auf sich selbst gestellten sechsjährigen Tochter und in "Red Rocket" (2021) folgt er einem abgehalfterten Ex-Porno-Star.

Die authentische und frische Schilderung des Milieus sowie Empathie für die randständigen Protagonist:innen, die diese Filme kennzeichnet, zeichnet auch Bakers im Mai in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnete Tragikomödie "Anora" aus. Auf Hintergrundinformationen zu seinen Figuren verzichtet er und fokussiert ganz auf das Hier und Jetzt. Unvermittelt wirft er so die Zuschauer:innen in einen Stripclub in Manhattan hinein. Hautnah ist die Kamera von Drew Daniels an den Körpern der fast nackten Frauen dran, die in Hinterzimmern auch sexuelle Dienste leisten.

Aus der Gruppe kristallisiert sich bald Anora (Mikey Madison), die nur Ani genannt werden will, heraus. Da sie von ihrer aus Usbekistan stammenden Großmutter ein paar Brocken Russisch gelernt hat, darf oder muss sie sich um den Sohn eines russischen Oligarchen kümmern. Dieser ist von Ani so begeistert, dass er sie bald in seine in Brooklyns Brighton Beach gelegene Luxusvilla einlädt.

Ausgelassene Parties werden hier gefeiert und bald engagiert Ivan (Mark Eydelshteyn) Ani für 15.000 Dollar für eine ganze Woche, fliegt mit ihr und Freunden im Privatjet nach Las Vegas, wo nicht nur die Party weitergeht, sondern Ivan und Ani auch heiraten. Als Ivans in Russland lebende Eltern aber davon erfahren, schicken sie zunächst ihre Handlanger aus, um eine Annullierung dieser Ehe zu erreichen, und reisen schließlich selbst an.

Dynamisch und dicht ist Bakers auf 35mm gedrehter Film inszeniert, prägnant stellt er der Sexarbeit das von Alkohol, Drogen und Sex bestimmte hedonistische Leben des unreifen Milliardärssohnes gegenüber. Dramatisch könnte "Anora" mit dem Auftauchen von zwei scheinbar brutalen Schlägern werden, die das Paar trennen sollen, doch gerade hier entwickelt diese Tragikomödie Witz.

Denn einerseits erweist sich Anora als äußerst wehrhaft, andererseits agiert der eine Schläger zurückhaltend, während der andere (hinreißend gespielt von Yura Borisov) sich sogar heimlich, aber unübersehbar in die Protagonistin verliebt. Dazu kommt noch ihr Boss (Karren Karagulian), der im Grunde armenischer Priester ist, aber überstürzt eine Taufe verlässt, um die Dinge im Sinne von Iwans Eltern zu lösen. Aber auch bei letzteren offenbart sich schließlich ein überraschendes Machtverhältnis in der Ehe.
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Kritiken 

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Verleiher
Universal Pictures

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