Emilia Pérez
Filmkritik von Walter Gasperi
Ein mexikanischer Drogenboss möchte als Frau ein neues Leben beginnen: Eine unglaubliche Story, doch Jacques Audiard macht daraus einen mitreißenden Film, in dem er zudem seine Protagonistinnen ihre Gefühle singend vortragen lässt.
Mit jedem Film erfindet sich Jacques Audiard neu. Seine größte Angst scheint zu sein, sich zu wiederholen und so drehte er mit "Un prophète" (2009) ebenso einen Gefängnisfilm wie mit "Dheepan – Dämonen und Wunder" (2015) einen Flüchtlingsfilm, mit "The Sisters Brothers" (2018) einen ungewöhnlichen Western und zuletzt mit "Les Olympiades – Wo in Paris die Sonne aufgeht" (2021) einen melancholischen Liebesreigen.
Mit seinem zehnten Film hat der 72-jährige Franzose nochmals etwas ganz Neues gewagt. Erstmals hat er nicht nur auf Spanisch gedreht, sondern er mischt vor allem kühn Gangsterfilm, Melodram und Musical zu einem Genre-Hybrid, der ebenso intensives wie furioses und ziemlich einzigartiges Kino bietet. Gemeinsam ist freilich allen seinen Filmen, dass immer die Körperlichkeit der Figuren eine große Rolle spielt und im Kern Entwicklungsgeschichten erzählt werden.
Unvermittelt und mitreißend setzt "Emilia Pérez" ein: In Mexico-City soll die brillante, aber schlecht bezahlte Anwältin Rita (Zoë Saldaña) für ihre Kanzlei dafür sorgen, dass der Mord eines Angehörigen der Oberschicht an seiner Ehefrau als Selbstmord durchgeht. Ihre ganze Unzufriedenheit mit dem Job bringt sie in einem Song zum Ausdruck, den sie unterstützt von den Massen der Straßen, direkt in die Kamera singt.
So wenig diese Gesangs- und Tanzeinlagen des Komponisten Clément Ducol und der Sängerin Camille in das realistische Milieu passen, so organisch fügen sie sich doch immer wieder in die Handlung und entwickeln mitreißende Kraft. Vom Sprechgesang bis zum Chanson spannt sich dabei die Bandbreite der Stile und mal werden persönliche Gefühle ausgedrückt, dann wird wieder entschieden Kritik an Korruption der Eliten geübt. - Der Mix, der in "Joker: Folie à Deux" überhaupt nicht funktionierte, trägt hier wesentlich zum filmischen Ereignis bei.
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