The Seed Of The Sacred Fig
Festival de Cannes 2024: Spezialpreis der Jury
Filmkritik von Walter Gasperi
Mohammad Rasoulof zeichnet vor dem Hintergrund der iranischen Massenproteste 2022 den Zerfall einer Familie nach, in der der Vater zum Untersuchungsrichter aufsteigt, während die Töchter mit den Demonstrant:innen sympathisieren: Ein herausragend gespieltes thrillerhaftes Kammerspiel über das permanente Misstrauen eines repressiven Regimes auf der einen Seite und das schwelende und langsam wachsende und in Auflehnung mündende Misstrauen der unterdrückten Bevölkerung auf der anderen Seite.
Nur im Geheimen konnte Mohammad Rasoulof, der zuletzt mit "There Is No Evil – Doch das Böse gibt es nicht" (2020) bei der Berlinale den Goldenen Bären gewann, im Winter 2023/24 seinen neuen Film drehen. Schon zuvor hatte der 1972 geborene Regisseur immer wieder mit Repressionen des Regimes zu kämpfen.
Schon 2010 wurde er verhaftet und zu einer sechsjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, die aber nicht vollzogen wurde. 2017 wurde ihm sein Reisepass entzogen, im Juli 2022 wurde er wegen "Kritik an staatlicher Gewalt gegen Demonstranten" verhaftet, wurde aufgrund seines Gesundheitszustands im Februar 2023 aber wieder vorübergehend freigelassen.
Als nach Fertigstellung von "The Seed of the Sacred Fig" wegen "Verstößen gegen die nationale Sicherheit" eine achtjährige Haftstrafe sowie Peitschenhiebe über ihn verhängt wurden, floh er im Frühjahr 2024 aus dem Iran. Seither lebt Rasoulof in Deutschland, das seinen neuesten Film, der in Cannes nicht nur mit dem Spezialpreis der Jury, sondern auch mit dem Preis der Ökumenischen Jury und dem FIPRESCI-Preis der Filmjournalist:innen ausgezeichnet wurde, auch als deutschen Beitrag für den Oscar für den besten internationalen Film einreichte.
Am Beginn von "The Seed of the Sacred Fig" steht mit der Ernennung des etwa 40-jährigen Iman (Missagh Zareh) zum Untersuchungsrichter am Revolutionsgericht ein sozialer Aufstieg. Hocherfreut ist seine Frau Najmeh (Soheila Golestani) über die Beförderung, soll die Familie doch nun vom Staat eine größere Wohnung bekommen, in der jede der beiden fast erwachsenen Töchter Rezvan (Mahsa Rostami) und Sana (Setareh Maleki) ein eigenes Zimmer hat. Auch auf eine Spülmaschine hofft die Gattin angesichts des höheren Gehalts.
Doch bald kommen dem strenggläubigen Iman Zweifel an seinem Job, wird er doch gedrängt Todesurteile zu unterschreiben, ohne die Akten vorher studiert zu haben. Knapp, aber dicht und präzise zeichnet Rasoulof das Bild eines Räderwerks, in dem Staatsdiener hoffnungslos ihren Vorgesetzten ausgeliefert sind und Befehle ausführen müssen, wenn sie ihre Karriere nicht riskieren wollen. Rasch wischt so auch Iman die Gewissensbisse beiseite und führt die vorgelegten Aufgaben aus.
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